Kilian Rüthemann

Text – Werke – CV

Ohne Titel, 2010 und Glass Front 1 + 2, 2010

Neugierig und lustvoll gibt sich Kilian Rüthemann dem stofflichen Ready made hin. Das Durchstreifen von Baumärkten bietet Inspiration genug, industriell gefertigte Materialien neu zu entdecken. Als ausgebildeter Steinbildhauer ist die haptische Wahrnehmung stets wichtiger Aspekt seiner Materialwahl. Material bestimmt Form - das Veränderliche, Instabile und Amorphe ist die variable Grösse der prozesshaft angelegten bildnerischen Ausformulierung in seinen Arbeiten.

Eine auf den ersten Blick mit Tusche und Pinsel ausgeführte Hinterglasmalerei, entpuppt sich als mit Kunststoff an die Wand geklebtes Glas. Der Bildträger Glas, die Malfarbe Silikon lässt Rüthemann die malerischen Qualitäten beim zweiten Blick rasch in den Hintergrund drängen. Die dünnen, grossformatigen Glasscheiben kleben dank schwarzem Silikon an der weissen Wand. Wie grobe Leimspuren offenbaren die mit grosszügiger Geste aufgetragenen Silikonschichten hinter Glas eine zähflüssige Masse, die mit Handdruck in Form gebracht wurde. Wie ein schweres, schwarzes Tuch hängt eine im Baumarkt gekaufte Bitumenbahn der Schwerkraft folgend über einem Eisenblech an der Wand. Die Industrieform gestaltet sich mit dem künstlerischen Eingriff neu.

Dem ursprünglichen Kontext entzogen, setzen die handelsüblichen, alltäglichen Materialen ihre Formbarkeit, ihre Tendenz zur Formlosigkeit und ihre optische Besonderheit frei. Die Struktur und Beschaffenheit von Stoffen, die Phasen von Zustandsgrössen und das Resultat von Materialeigenschaften lassen den skulpturalen Prozess bestimmen und legen Rüthemanns Spurensicherung von Bewegung und Veränderbarkeit offen. Die Arbeiten, vor Ort entstanden, werden nach Ausstellungsende zerstört. Die Beständigkeit weicht der flüchtigen Verwendung von gebräuchlichem Konstruktionsmaterial.

Nadia Veronese